«Die Jugendlichen können das, also lasst sie auch machen!»
Stefan Schötzau, Chef des Sportamts des Kantons Zürich, und Josy Beer, Geschäftsführerin des Zürcher Kantonalverbands für Sport (ZKS) erklären, was ihre Organisationen für den Jugendsport im Kanton Zürich machen, was die Erfolgsgeschichten sind und wo es noch Lücken gibt.
Josy Beer, Stefan Schötzau, Welche Sportarten habt ihr als Jugendliche ausgeübt?
Stefan Schötzau: Ich bin Leichtathlet und war auch im Tennisclub. Nebenbei habe ich Basketball im Schulsport gespielt. Ich war also rückblickend ziemlich vielseitig unterwegs.
Josy Beer: Ich fing klassisch im Turnverein an, habe danach lange Leichtathletik gemacht und schliesslich zum Handball gewechselt. Also auch eine breite Palette.
Und wenn ihr heute 16 Jahre alt wärt, welche Sportarten würden euch reizen?
Stefan Schötzau: Ich bin ehrlich gesagt froh, bin ich nicht mehr 16. Ich mache gerne Wintersport und wenn ich sehe, welche Sprünge die Jungen heute machen.
Josy Beer: Ich würde heute wohl eher etwas Risikoreicheres machen als Handball. Parkour oder Mountainbike würden mich reizen, wenn ich heute 16 wäre.
Die Studie «Sport Schweiz 2020» zeigt, dass Jugendliche wieder mehr Sport treiben als noch vor zehn Jahren. Hat euch dieser Befund überrascht?
Stefan Schötzau: Er hat mich vor allem sehr gefreut! Auch weil es nicht unbedingt zu erwarten war, trotz aller Fördermassnahmen. Heute ist die ganze Bevölkerung sportlich aktiver. Sport ist quasi zum Lifestyle geworden. Das wirkt sich natürlich auch auf die jungen Menschen aus.
Josy Beer: Mich hat es nicht überrascht. Die vorherigen Studien zeigten ja bereits, dass Frauen mehr Sport treiben. Allgemein gehen die Jungen heute bewusster mit ihrem Körper und ihrer Fitness um. Dazu kommt, dass wir heute eine sehr sportliche Elterngeneration haben und die Jugendlichen somit früh mit Sport in Berührung kommen.
Es sind zwar immer mehr Jugendliche Mitglied in einem Sportverein. Aber bei älteren Jugendlichen zeigt sich auch ein Trend in Richtung ungebundenes Sporttreiben wie Krafttraining oder Jogging. Josy Beer, macht dir das Sorgen?
Josy Beer: Nein, Sorgen nicht. Die Vereine müssen darauf allerdings reagieren. Zum Beispiel sind die Vereinsstrukturen sehr stark auf Wettkampf ausgerichtet, aber längst nicht alle Jugendlichen, die Sport treiben, wollen auch Wettkämpfe bestreiten. Da müssen die Vereine neue Angebote schaffen, besonders für Mädchen und junge Frauen.
Das Sportamt hat sich die Chancengleichheit zum Ziel gesetzt, gerade zwischen Mädchen und Jungs. Tatsächlich zeigt sich, dass Mädchen und junge Frauen immer mehr “aufholen” beim Sporttreiben. Ist also alles auf Kurs oder gibt es noch Baustellen?
Stefan Schötzau: Es ist wichtig und erfreulich, dass Frauen und Mädchen gleich viel Sport treiben wie Männer und Jungs. Aber deswegen ist noch nicht alles gut. Zum Beispiel sind Mädchen noch immer weniger in Vereinen, wo es eine Struktur und eine Regelmässigkeit gibt. Und insbesondere Mädchen mit Migrationshintergrund sind sportlich weniger aktiv. Das hat auch wieder mit den Eltern und dem Umfeld zu tun. Die Eltern sind sehr wichtig und darum müssen wir auch sie für den Sport begeistern.
Jugendliche bzw. Kinder treten heute früher Vereinen bei, aber auch früher wieder aus. Auch Vereinswechsel von Jugendlichen sind häufiger als früher. Wie reagiert ihr seitens Sportamt darauf z.B. in der J+S-Leiterbildung?
Stefan Schötzau: Ein zentraler Punkt ist, dass wir Vielseitigkeit predigen und fördern. Es ist nicht sinnvoll, wenn Kinder und Jugendliche nur einzelne Sportarten intensiv ausüben. Für die motorische Entwicklung ist eine vielseitige sportliche Ausbildung wichtig. Man muss den jungen Menschen auch die Zeit geben, jene Sportart zu finden, die ihre Leidenschaft weckt.
Man muss den jungen Menschen auch die Zeit geben, jene Sportart zu finden, die ihre Leidenschaft weckt.
Der ZKS bietet Weiterbildung für Funktionärinnen und Funktionäre in Vereinen und Verbänden an. Ist dort auch ein Thema, wie sich Vereine strukturell ausrichten müssen, damit sie für Jugendliche attraktiv sind und bleiben?
Josy Beer: Die Vereinsentwicklung ist ein wichtiges Thema. Vereine müssen fit sein für die Zukunft. Wir unterstützen sie mit thematischen On-Demand-Workshops, zum Beispiel zur Frage, wie sie Jugendliche in den Verein holen können. Ausserdem wollen wir die Vereine stärken und die Jugendlichen mehr einbeziehen. Stichwort Jugendvorstand: Den Jungen die Möglichkeit geben, ihren Verein gemeinsam mit Alterskollegen selbst mitzugestalten.
Mit Blick auf die Zukunft ist nicht nur wichtig, dass Jugendliche Sport treiben, sondern auch dass sie sich in Sportvereinen engagieren. Das Sportamt hat mit 1418coach ein erfolgreiches Programm lanciert. Was sind eure Erfahrungen bisher?
Stefan Schötzau: Wir machen extrem positive Erfahrungen mit 1418coach. Offensichtlich haben wir in Schwarze getroffen damit. Die Idee, Jugendliche in die Trainingsgestaltung einzubinden, stammt ja nicht von uns, das wurde schon lange gemacht. Wir haben dem einen offiziellen Rahmen gegeben und die Leistung der Jungen damit anerkannt. Am meisten beeindruckt mich zu sehen, wie gut und mit wieviel Einsatz die Jugendlichen ihre Aufgaben wahrnehmen. Das ist meine Botschaft an die Vereine: Die Jugendlichen können das, also lasst sie auch machen!
Parteien oder gemeinnützige Organisationen haben teils Mühe, ihre Ämter mit jungen Menschen zu besetzen. Die Bereitschaft – und auch die Zeit – für Freiwilligenarbeit nehme bei den Jungen ab, hört man. Josy Beer, spürt ihr das bei Sportvereinen und -verbänden auch?
Josy Beer: Auch im Sport haben Vereine und Verbände Mühe, Ämter zu besetzen. Es gibt eine interessante Studie des GDI dazu, wie sich die Freiwilligenarbeit verändert hat. Man kommt heute nicht mehr in ein Amt und macht das 20 Jahre lang, sondern man arbeitet lieber projektbezogen, kürzer und auf Abruf. Darauf müssen wir reagieren. Und was auch wichtig ist: Jugendliche werden zu oft gar nicht gefragt, ob sie sich engagieren möchten. Vereine und Verbände müssen auf junge Menschen zugehen, dann ist die Bereitschaft vielfach auch da.
Dieses Interview erscheint auf «Fokus Sportkanton Zürich», der neuen Online-Plattform von ZKS und Sportamt. Wozu diese neue Plattform?
Stefan Schötzau: Es braucht sie, weil sie digital ist und dadurch hoffentlich eine breitere Wirkung hat, auch über Social Media. Wir hatten vorher eine Print-Broschüre. Die war sehr schön und gut gemacht, aber halt eher statisch. Die Website soll dynamisch sein und sich stärker an der Aktualität orientieren.
Josy Beer: Der grosse Vorteil ist, dass wir das Thema nicht einfach einmal im Jahr behandeln und damit ist es abgeschlossen. Sondern wir können das Jahresthema das ganze Jahr bewirtschaften und auch auf Rückmeldungen reagieren.
Zum Abschluss: Das diesjährige Jahresthema «jung+sportlich» wurde ja auch gewählt, weil J+S, also das nationale Förderprogramm, in diesem Jahr 50 Jahre alt wird. Was sind eure Glückwünsche an den Jubilar?
Stefan Schötzau: Zuerst mal Gratulation zum Geburtstag! Als Sportamt sind wir stolz, dass wir J+S umsetzen können, das ist eine sehr wichtige und ehrenvolle Aufgabe. Ich wünsche mir, dass J+S weiterhin die Sportvereine unterstützt und nicht einengt. J+S muss sich an dem ausrichten, was effektiv passiert in der Sportlandschaft Schweiz und die Freiwilligen mit passenden Angeboten unterstützen.
Josy Beer: J+S ist etwas Einmaliges. Das Programm hat in seinen 50 Jahren extrem viel bewirkt. Es ist für alle Sportvereine zentral, in der Ausbildung, in der Arbeit mit Jugendlichen. Mein Wunsch ist, dass J+S nahe an der Basis bleibt und spürt, was die Vereine wirklich wollen und brauchen. Ich habe volles Vertrauen ins Bundesamt für Sport und die kantonalen Sportämter, dass J+S so wertvoll bleibt, wie es heute ist.